Monday, July 22, 2019

Öl aus dem Nahen Osten als strategischer Vorteil der USA und Großbritanniens - und gutes Geschäft für Kriegsprofiteure

Tom Stevenson rezensierte ein Buch über Großbritannien und Saudi-Arabien, AngloArabia: Why Gulf Wealth Matters to Britain (2018) von David Wearing, in What are we there for? London Review of Books 05/09/2019. Stevenson liefert einen wichtigen Hintergrund für das Verständnis der Beteiligung Sowohl Großbritanniens als auch der USA im Nahen Osten und insbesondere mit Saudi-Arabien.Eine aktualisierte Version findet sich in Le Monde Diplomatique-Deutsche Ausgabe Juli 2019 in eine Übersetzung von Niels Kadritzke. Alle Zitaten in diesem Beitrag sind Kadritzkes.

Ein wichtiger Punkt, den er anführt, ist, dass die USA und Großbritannien sich mit Saudi-Arabien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen arabischen Mächten im Nahen Osten is hat doch mit Öl zu tun. Aber es geht mehr um die strategischen Vorteile, die es bietet, als um den direkten Energiebedarf oder sogar um Unternehmensgewinne von britischen und amerikanischen Öl-Konzerne.
Riesige Roholvorkommen gibt es auch in anderen Teilen der Welt, etwa in den USA, in Russland und in Kanada. Nach aktuellem Kenntnisstand hat Venezuela wahrscheinlich großere „nachgewiesene Ölreserven" als Saudi-Arabien. Aber in der Golfregion liegen die Vorkommen dicht unter der Erdoberflache, sind also leicht zu erschließen. Dieses „light sweet crude oil" ist nicht nur billig zu fördern, sondern auch qualitativ hochwertig und kann direkt, also kostengünstig, zu Treibstoff verarbeitet werden. Zudem liegen die Vorkommen unweit der eurasischen Landmasse, nicht aber auf dem Terriforium einer der Weltmächte.

Die entwickelten Volkswirtschaften Asiens sind stark vom 01 aus der Golfregion und vom katarischen Erdgas abhängig. Drei Viertel der Ölexporte vom Golf gehen nach Asien; die fünf großten Importeure von Gas aus Katar sind Japan, Südkorea, Indien, China und Singapur. Dank ihrer Vormachtstellung am Golf konnen die USA also entscheidenden Einfluss auf samtliche ihrer potenziellen asiatischen Rivalen ausüben. [meine Hervorhebungen]
Aber er erklärt, dass die Golfstaaten auch sehr wichtig für die Gewinne der britischen und amerikanischen Waffenexporteure sind:
Das Besondere an dieser Beziehung zeigt sich unter anderem darin, dass die Saudis und die übrigen Mitglieder des Golf-Kooperationsrats (Kuwait, Bahrain, Katar, VAE, Oman) zusammengenommen die weltweit groBten Käufer von Rüstungsgütern sind. Die meisten Waffen liefern die USA, aber auch GroBbritanniennund Frankreich sind gut im Geschäft.

Am 20.Mai 2017 vereinbarten US-Präsident Trump und der saudische König Salman den groBten Waffendeal der Geschichte, mit direkten Käufen im Wert von 110 Milliarden Dollar und langfristigen Aufträgen im Gesamtwert von rund 350 Milliarden Dollar.
[meine Hervorhebungen]
Und dieser altmodische Typ von Kriegsprofiteure ist ein wichtiger Faktor im aktuellen Horror im Jemen:
Der Jemenkrieg hat seit 2015 etwa 75 000 Todesopfer gefordert; inzwischen leiden Hunderttausende Menschen unter Epidemien und Hunger. In den letzten vier Jahren lieferte London an die von den Saudis gefuhrte Koalition, die gegen die Huthis kampft, Rüstungsgüter im Wert von fast 5 Milliarden Pfund (5,65 Milliarden Euro).

Der saudischen Luftwaffe werden laufend neue Kampfflugzeuge verkauft, die von britischen Spezialisten gewartet werden. In den Kommandozentren von Riad sitzen britische und US-Militärberater; britische Elitesoldaten bilden saudische Truppen fur den Kampf in Jemen aus, und saudische Piloten trainieren fur ihre tödlichen Einsätze auf einer Basis der Royal Air Force im nordwalisischen Valley.

Die USA sind noch tiefer in den Jemenkrieg verstrickt. Bis November 2018 unterstützten sie die saudische und die VAE-Luftwaffe durch die - kostenlose - Betankung von Jagdflugzeugen in der Luft. Wie GroBbritannien haben auch die USA über die VAE heimlich Waffen an verbi.indete Milizen in Jemen geliefert. Beide Regierungen könnten, wenn sie wollten, den Konflikt sofort beenden, indem sie ihre unterstützung einstellen. [meine Hervorhebungen]
Stevenson charakterisiert die Struktur der US-Politik in der Region auf diese Weise:
Die Vereinigten Staaten konnen dank ihrer - von den Briten geerbten - Herrschaft über die Golfregion ihre Rivalen, aber auch ihre Verbündeten auf eine Weise unter Druck setzen, für die es in der Geschichte der Imperien vermutlich kein Beispiel gibt. Die USA haben im Nahen Osten eine extrem konservative regionale Ordnung errichtet, die vor allem auf ihren Bündnissen mit mehreren ägyptischen Militärdiktaturen und dem ethno-nationalistischen Staat Israel beruht. Ihre militarische Übermacht in der Golfregion sorgt dafür, dass Japan, Südkorea, Indien und sogar China jederzeit damit rechnen mtissen, von ihrer wichtigsten Energiequelle abgeschnitten zu werden.

Die weltpolitische Bedeutung der Golfregion läasst sich kaum überschatzen. In den letzten Jahren unter Obama und Trump gab es immer wieder Mutmaßungen über einen Rückzug der USA aus dem Nahen und Mittleren Osten und über eine Verschiebung der strategischen Interessen in Richtung Asien. Sollte es solche Plane tatsächlich geben, müsste man daraus folgern, dass die US-Regierungen mittlerweile vergessen haben, wie das System funktioniert, das ihre Dominanz sichert. [meine Hervorhebungen]

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